Bleiweiß

 

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  • Bleiweiss
  • Roman (221 S.)
  • C.H. Beck Verlag 2000
  • ISBN-NR. 3-404-46606-0

 

KLAPPENTEXT

Als kleiner Junge hatte Folke immer seine Sommerferien in Leewenstein, am Ufer der Müglitz, verbracht. Nun, Jahrzehnte später und nachdem die Grenzen sich geöffnet haben, kehrt er an diesen Ort zurück – mit der vagen Idee, das Paradies aus der Kindheit zu kaufen. Doch während seiner heimlichen Anwesenheit in dem nun fast leerstehenden und ziemlich verkommenen Haus steigen bruchstückhaft Erinnerungen an die vergangenen Tage in ihm auf: an seine Großmutter und deren Schwestern, die etwas verschrobenen Großtanten, an seine Zwillingsschwestern, die ihn häufig aus ihren Spielen ausschlossen, an Cousin Konrad und an Ernst Maletzke, den hinkenden Sohn der Untermieter, den sie damals alle nur hänselten oder gleich ganz ignorierten. Ausgerechnet Ernst allerdings lebt nun, nach so vielen Jahren, noch immer im Haus, und er ist es, der Folke eine ganz andere Version der Vorgänge von damals gibt, vor allem aber interessante Geschichten über Folkes Mutter zu erzählen hat: Warum eigentlich war sie so erpicht darauf, jeden Sommer in die DDR zu kommen, und noch dazu ohne ihren Mann? Gabriele Weingartner legt mit Bleiweiß einen deutsch-deutschen Roman vor, der mit Leichtigkeit und Spannung von den dreißiger Jahren bis in die Gegenwart führt.

 

REZENSIONEN

Martin Lüdke, Die Zeit

  • „Mit beschwingter Leichtigkeit. unangestrengt, anschaulich entwirft Gabriele Weingartner in ihrem zweiten Roman ‚Bleiweiss‘ das idyllische Bild einer glücklichen Kindheit. (…) Die Geschichte der Rückgewinnung einer Kindheit erweist sich zugleich als fortschreitende Desillusionierung, wobei, bemerkenswerter Weise, die Bilder des frühen Glücks nicht zerstört werden. Dabei wird auch der soizialhistorische Horizont des scheinbar ganz privaten Familiendramas sichtbar: die beabsichtigte Eliminierung des Bürgertums und seiner Lebensformen in der frühen DDR. Gabriele Weingartner beschreibt Alltagsgeschichte. Also: nichts Sensationelles, von der Tatsache abgesehen, daß sich durch ihre Figuren hindurch die Nachkriegsgeschichte eines geteilten Landes gestochen scharf abzeichnet.“

 

Ludwig Harig, Süddeutsche Zeitung

  • „Ein schöner Romanfang à la Buddenbrooks, könnte man beim flüchtigen Lesen denken, wenn nicht schon am Anfang der Geschichte die vom apokalyptischen Kriegsende herrührende fatale Gebrochenheit aller Verhältnisse zu spüren wäre – mit genüsslicher Morbidezza in kaum merklicher Distanz von Gabriele Weingartner erzählt. (…) Es sind nicht die historischen Tatsachen, die diesen Roman zum authentischen Nachkriegs- und Wenderoman machen, sondern die zur Wahrheit der Geschichte erfundenen Episoden. ‚Bleiweiß‘ ist ein durch und durch skeptischer Roman. Deutschland vor der Eiszeit? möchte man fragen. Der tragikomische Held, auf wundersame Weise herausgekommen aus der Zeit‘ überlebt, wie das Kind in der Witzgeschichte, dessen Mutter Eiswürfel gelutscht hatte, um es auszukälten in ihrem Bauch. Und das am Ende auf einer Eisscholle überlebte.“

 

Silja Ukena, Brigitte extra, Die neuen Bücher 2000

  • „Mühelos schlägt Gabriele Weingartner den Bogen zwischen Nachkriegsdeutschland und Gegenwart, malt zunächst ein üppiges Bild von Erinnerungen, um es anschließend Schicht um Schicht wieder abzutragen. Zum Vorschein kommt ein deutsch-deutsches Porträt voller Realität.“

 

Sigrid Haertel, BuchJournal

  • „Dieses Familiendrama, präzise eingelassen in die deutsch/deutsche Geschichte, hat auch seine komischen Seiten. Vor allem aber ist es ebenso einfühlsam wie spannend beschrieben. Und es führt zu einem überraschenden Ende.“

 

Michael Buselmeier, Frankfurter Rundschau

  • „‚Mit ‚Bleiweiß‘ – die Vokabel steht für eine giftige Farbe und zugleich für alles Gefährliche und Geheimnisvolle – ist Gabriele Weingartner eine spannende Ost-West-Familiengeschichte gelungen, nicht ohne gelegentlich die Kolportage zu streifen, wenn etwa zur Erklärung der Liebesverfallenheit der Mutter an den blonden Arbeiter der Tristan- und Isolde-Mythos bemüht wird. Auch hält das Buch, kaum vermeidbar, einige West-Ost-Klischees wach (hier die medienverlorenen, dort die rechtsradikalen Enkel). Geschrieben ist es mit leichter Hand; elegant fließen die Perioden dahin, unüberhörbar eine ebenso artifizielle wie altertümliche Steigerung der Satzmelodie. Ist dieser virtuos gehandhabte psychologische Realismus, der sich der Traditionslinie Fontane/Thomas Mann anvertraut, dazu geeignet, gegenwärtige Verhältnisse darzustellen? Oder paßt er nur auf eine scheinbar gutbürgerliche Geschichte aus der deutschen Vergangenheit, in der ’nichts so war, wie es schien‘? Kann man heute noch so geradlinig, mit Leitmotiven, Vorausdeutungen und schmückenden Attrbuten operieren? (…) Wer könnte Gabriele Weingartners differenzierter Prosa, ihren genau und sprachlich sicher gefassten, atmosphärisch dichten Liebes- und Todesgeschichten den Respekt verweigern?

 

Walter Klier, Wiener Zeitung

  • „Die ‚Leichtigkeit und Spannung‘, die der Klappentext dem Buch attestiert, stellt sich tatsächlich fast überraschend ein. Gabriele Weingartner geht ihre Sache langsam und tastend an; mit bedächtigem Erzählton, der ihr geradezu Proust’sches Unterfangen aber sicher zu tragen vermag, führt sie uns die merkwürdige Realitsprüfung vor, mit deren Hilfe man an dem veränderten, gealterten Ort sich ein Geschehen von früher nochmal zu vergegenwärtigen versucht.“